Predigt bei der Abschlussmesse Voitsberg 27.10.2024, 10:00
30. Sonntag i.J. - B
L1: Jer 31,7–9; L2: Hebr 5,1–6; Ev: Mk 10,46–52
1. Auf zwei Passagen des heutigen Evangeliums möchte ich mich und Sie bei der heutigen "Schlussmesse" der Bischöflichen Visitation in Ihrem Seelsorgeraum aufmerksam machen. Zunächst aber möchte ich mich für die vielen Begegnungen und das Organisieren der beiden Wochen bedanken, die mich in so manche "Besonderheit" dieses Landstriches, der einer von 48 Seelsorgeräumen der Steiermark ist, eingeführt haben. Ich meine, dass diese beiden Passagen auch für unser Leben als Kirche hier in diesem Raum von Bedeutung sind.
2. Zunächst - und ich meine, dass wir hier nicht schnell drüberlesen dürfen: es ist für mich jedes Mal bei der Lektüre dieser Bibelstelle sonderbar, dass ein Blinder (!) aufspringt und ohne etwas zu sehen auf Jesus zuläuft. Die Stimme Jesu und all das, was ihn ausmacht, ist so faszinierend, dass die rechte Orientierung auf alle Fälle gefunden wird. Und das gilt für unser Leben aus dem Glauben in der Kirche hier im Seelsorgeraum ganz besonders. Gerade angesichts der Tatsache, dass für viele Kirche nicht mehr so von Bedeutung zu sein scheint - knapp 67% der hier Lebenden sind katholisch - ja mehr noch, dass mehr und mehr Menschen sich als "religiös unmusikalisch" ausgeben, ist es von Bedeutung, dass wir, die wir uns zur Kirche bekennen, darum mühen, um die Schätze unseres Glaubens zu wissen und diese auch gut überlegt argumentieren können. Ist dies nicht der Fall, dürfen wir uns nicht wundern, dass da und dort so manch Befremdliches sich einschleicht, oder auch radikalisierend lediglich damit argumentiert wird, dass wir eben katholisch sind ... Darüber hinaus gibt es ja da und dort auch das Phänomen, "katholisch" aif eine gewisse Art der Frömmigkeit reduziert zu sehen, die dann alle leben müssten - und dem entsprechend können viele nicht folgen, oder aber wird kirchliches Leben auf Brauchtumsfeiern reduziert, deren Kern immer mehr verkommt. Den Ruf Jesu als einen wahrzunehmen, der wirklich Orientierung gibt für die Herausforderungen, die sich jeder und jedem stellen, ist angesagt - und das ohne "abzuheben", denn "Gott kommt uns im Heute entgegen", um unser Zukunftsbild in Erinnerung zu rufen. Ich bitte Sie daher am heutigen Tag: Werden Sie nicht müde, gemeinsam mit denen, die Ihnen von der Diözese an die Seite gestellt werden, nach Wegen zu suchen, sich selbst im Glauben zu festigen, damit wir alle jederzeit bereit sind, Rede und Antwort zu stehen, wenn wir nach der Hoffnung gefragt werden, die uns erfüllt. - Eine Nebenbemerkung sei hier noch gestattet: diese Hoffnungsperspektive kann, ist sie wirklich ernstgemeint, nicht einfach rechts oder links liegengelassen werden, wenn halt Schwierigkeiten mit Fehltritten von Menschen in der Kirche auftreten, da es ja um Gott geht und nicht um die Menschen, von denen wir bekanntlich sagen, dass sie alle sündhaft sind.
3. Das zweite Beispiel ist die Frage Jesu, der ja eigentlich um die Blindheit des Sohnes des Timäus weiß: "Was willst du, dass ich dir tue?" Die Frage mag verwundern, aber so sehr geht Jesus vom Leben der Menschen aus, dass er die Freiheit des Menschseins dieses einen ernstnimmt, die eben darin besteht, sich auch zu äußern. - Wenn wir unser Zukunftsbild leben wollen, dann bedeutet dies eben (auch): nicht einfach Überkommenes, auch wenn es noch so schön sein mag und uns über Jahrhunderte viel geholfen hat, weiter und unhinterfragt weiterzupflegen - zu schnell ist die Gefahr vorhanden, dass es zum bloßen Brauchtum verkommt und wir als Kirche sind ja nicht einfach ein Brauchtumsverein - ich habe es vorhin schon erwähnt! Auch nützt es nichts sich an vergangene Zeiten zu erinnern, in denen - angeblich - alles besser gewesen sei: diese sind eben vergangen und können auch nicht wiederbelebt werden durch Maßnahmen, die gesetzt werden. Es heißt vielmehr: die Fragen, Nöte und Sorgen der Menschen wahrnehmen und mit ihnen den Weg gehen,
nach dem wir in unseren Pfarrgemeinderäten oder Pfarrteams suchen, damit mehr und mehr ER das Sagen hat bzw. bekommt. Ihre vielen Initiativen im sozialen Bereich legen gerade davon ein großartiges Zeugnis ab. All das bringt freilich eine neue Form von Kirche mit sich, die nicht bloß daran interessiert ist, um es im Bild zum Ausdruck zu bringen, wann ich vor Ort "meine" Messe mit "unserem Pfarrer" habe. Die Liebe des Evangeliums wirklich zu leben, bedeutet eben auch die Anerkenntnis, dass der Mensch neben mit und damit die Pfarrbewohner der Nachbarpfarre gleich wichtig sind wie ich mich selbst und meine kirchliche Erfahrung in Pfarre, Bibliothek, Kindergarten, Ordenshaus, ... ernstnehme. Damit eben aus dem Nebeneinander unterschiedlichster kirchlicher Erfahrungen ein Miteinander wird, was ja alles andere ist als ein Einheitsbrei - schon allein deswegen, weil auf der Pack und in den anderen 4 "Bergpfarren" Kirche anders gelebt werden muss und kann bzw. wird wie in Maria Lankowitz als Wallfahrtsort und erst recht in Salla, Bärnbach, Piber, St. Johann, Ligist, Graden, Kainach, Mooskirchen, Stallhofen oder Geistthal. Ach ja: wir sind eben alle Brüder und Schwestern und nicht zunächst Voitsberger oder Köflacher.
4. Nochmals: "Vergelt's Gott für Ihr Leben hier!" und damit auch "Vergelt's Gott für all das, was Sie mir in diesen Wochen der Begegnung zugemutet haben". Ja, bitte: Richten Sie diesen Dank allen aus, die heute nicht da sind oder nicht da sein können, vor allem auch denen, die in der Seelsorge mit Ihnen "hauptamtlich" als Laien, Diakone oder Priester leben. Und: "Gehen wir, unseren Glauben vertiefend und mit den Menschen samt ihren Anliegen gemeinsam voran!“
Bischof Wilhelm Krautwaschl